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Die 20 meistverkauften kurdischen Bücher im Jahr 2020: 2 Romane von Halim Youssef

(Video)

Unter den 20 meistverkauften kurdischen Büchern in Nordkurdistan und der Türkei im Jahr 2020 sind nach den veröffentlichten Informationen sowohl Halim Youssefs Romane „Kobane fliegt mit gebrochenen Flügeln“ als auch der Roman “ Die 99 zerstreuten Perlen“.

In diesem Video findet man alle 20 Bücher:

Lesung und Podiumsdiskussion mit Halim Youssef

Die Kurden in Syrien, eine Minderheit gefangen in brutalen Bürgerkrieg

Bonner Buchmesse Migration –  Fr., 20.11.2015 um 18:30 Uhr

Durch seinen in der syrischen Literatur völlig neuen Still hat er sich schon früh einen Namen gemacht. Auch in der kurdischen Literatur gilt er als eine feste Größe. Seine surrealistischen Geschichten liefern nicht nur eine beißende Kritik an den Verhältnissen in Syrien, sondern auch eine scharfzügige Auseinandersetzung mit seiner eigenen kurdischen Gesellschaft. Von der Literaturkritik hochgelobt, war er gleichzeitig der Verdammung durch religiöse Fanatiker ausgesetzt.

Iran: „Kobane fliegt mit gebrochenen Flügeln“ ist eines der drei meistverkauften Bücher

10.12.2020

Iran – Afraz Publications: Der Roman „Kobane fliegt mit gebrochenen Flügeln“ ist eines der drei meistverkauften Bücher.
Afraz Publishing gab auf seiner Instagram-Seite bekannt, dass die persische Übersetzung von Halim Youssefs Roman „Kobane fliegt mit gebrochenen Flügeln“ in die Liste der drei Bestseller aufgenommen wurde.

Der Roman wurde aus dem kurdischen ins persische von Sayime khakpour übersetzt.

Halim Youssef als Bestsellerautor in Nordkurdistan (Türkei) im Jahr 2020

Neue Statistiken, am 01.06.2021 (Video)

Buyerpress – Khamischli (Syrien): Buyerpress veröffentlichte einen Bericht über die meistgelesenen kurdischen Schriftsteller in Nordkurdistan und der Türkei, basierend auf den auf Twitter veröffentlichten Statistiken des Direktors der größten kurdischen Buchhandlung Bawer Bershev. Die Bücher von Mehmed Uzun, Bachtyar Ali und Halim Yuossef stehen an der Spitze des kurdischen Buchverkaufs.

Muhammad Uzun aus Nordkurdistan – Türkei,

Bakhtiar Ali aus Südkurdistan – Irak

Halim Youssef aus Westkurdistan – Syrien.

Das Video ist auf Arabisch

Neuland: Zwei Schriftsteller und ihr persönlicher Kulturwandel- Halim Youssef mit Dieter Jandt

Zentralbibliothek Wuppertal – Di., 15. Oktober 2019, um 17:00 Uhr

Der eine musste sein Heimatland verlassen, der andere besucht immer wieder freiwillig ein Land mit einer völlig anderen Kultur.

Eine Lesung kurzer Erzählungen mit Halim Youssef und Dieter Jandt soweit mit Musik des Cellisten Ahmad Maasrani.

             „Der Ausländer Pascha kann Englisch“

 Eine Kurzgeschichte von Halim Youssef

Als er nach Europa kam, kannte er vom ganzen englischen Wortschatz nur fünf Redewendungen: Please, Thankyou, Howmuch, Sorry und Goodbye. Er hatte vor, diese Worte zu benutzen, um nicht wie ein passiver Ausländer oder gar ein armer Asylbewerber zu wirken. Stattdessen wollte er sich wie ein richtiger Tourist verhalten, denn alle Touristen in seinem Herkunftsland sprachen nur Englisch. Deshalb hatte er immer gedacht, dass alle Europäer ganz sicher Englisch sprechen konnten.

Mein Pech war, dass er, als er nach Deutschland kam, beschlossen hatte, zu mir zu kommen. Sein Asylantrag war abgelehnt worden und er musste in einem Flüchtlingsheim wohnen. Bei jeder Gelegenheit suchte er mich auf und sagte: „Du bist der einzige Verwandte, den ich in ganz Deutschland habe.“ Sein Beweis für unsere Verwandtschaft war, dass seine Tante und meine Tante im Heimatland Nachbarinnen waren.

Jedes Mal, wenn ich meine Mutter anrief, sagte sie: „Bitte mein Sohn, du lebst schon lange in Deutschland und musst auf deinen Verwandten aufpassen.“ Eigentlich wollte ich die Wünsche meiner Mutter und meiner Tante erfüllen, aber seine wunderbaren Englischkenntnisse verschlossen mir alle Türen, und ich konnte mein Ziel nicht erreichen.

Eines Tages, als ob Gott mich bestrafen wollte, war ich mit ihm in der Stadt. Plötzlich sah er die arabische Zeitung „Al Hayat“ und wollte diese kaufen. Er rannte wie ein Blitz zum Kiosk, griff sich die Zeitung und fragte auf Englisch: „Howmuch?“ Ich wollte immer alles, was er sagte, ins Deutsche übersetzen, aber er lehnte dies ab. Dafür gab es zwei Gründe: Erstens sollte jeder denken, dass er ein Tourist sei, so dass niemand ihn erniedrigen konnte, weil er ihn für einen Asylbewerber hielt. Zweitens wollte er, um dies zu erreichen, unbedingt seine fünf englischen Wörter in der Stadt benutzen. Die Kioskbesitzerin antwortete auf Deutsch, aber er verstand nicht, wie viel er für die Zeitung bezahlen sollte. Er nahm einfach viel Kleingeld in die Hand, wollte damit zahlen und zählte die Münzen sehr langsam. Während die Verkäuferin und ich warteten, bildete sich hinter uns eine Schlange von Leuten, die alle etwas kaufen wollten und nun auch warten mussten. Ich zählte die Personen – es waren zwölf. Einige waren nervös und murmelten unverständliche Dinge. Schließlich zahlte ich für ihn und sagte: „Es ist schon erledigt. Gehen wir.“ Er lächelte die Verkäuferin an und sagte – natürlich auf Englisch: „Thankyou!“

Wir liefen durch eine Straße in der Stadt, die voller Menschen war. Er trug die gleiche Brille, die die Touristen in seinem Herkunftsland immer getragen hatten. Er hatte die Zeitung bereits aufgeschlagen und las mit seiner dicken Brille. Da es regnete, fragte ich ihn: „Kannst du vielleicht diese Sonnenbrille absetzen?“ Aber er antwortete optimistisch: „Nein, nein, wir sind in Europa, mein Herr. Es wird bald sonnig. Du musst nur ein bisschen Geduld haben.“ Doch mit der dunklen Brille auf der Nase konnte er nicht richtig laufen. Bei jedem Schritt, den er tat, stieß er mit anderen zusammen. Jedes Mal drehte er sich um und sagte zu der betreffenden Person: „Sorry.“ Ich bemerkte recht schnell, dass er andere Personen absichtlich anrempelte, um Sorry sagen zu können. Als ich ihn informierte, dass man das Wort auch hier benutze und es nicht nur von Touristen gebraucht werde, wurde er traurig. Als ob er etwas Wichtiges verloren hatte, sagte er: „Ganz ehrlich, das wusste ich wirklich nicht.“

Dennoch blieb es dabei: Mit der Sonnenbrille auf der Nase las er weiter in der Zeitung. Ich bat ihn darum, zu Hause zu lesen, aber er hörte natürlich nicht darauf. Schließlich würde ihn dort niemand dabei sehen und daher auch niemand mitbekommen, dass er eine Fremdsprache konnte und ein Tourist sei. Wir gingen in ein Internetcafé und ich sagte zu ihm, dass der Besitzer Araber sei und er mit ihm nicht Englisch zu reden brauchte. Aber er tat so, als ob er mich nicht gehört hätte, mit seinen Gedanken war er anderswo. Nachdem er für ein paar Minuten kurdische Internetseiten gelesen hatte, sagte er wütend: „Die kurdischen Nachrichten machen meine Nerven kaputt. Lass uns bitte in ein anderes Café gehen.“ Bevor wir das Internetcafé verließen und er wieder Englisch sprach, sagte ich ihm erneut, dass der Besitzer des Internetcafés und alle Mitarbeiter Araber seien. Trotzdem sagte er beim Hinausgehen: „Goodbye.“

Unterwegs machte ich ihn höflich auf die Umstände aufmerksam: „Hör mir zu, mein Freund. Nicht alle Menschen können hier wie du Englisch sprechen. Du musst nicht Englisch reden. Ich kann gerne alles, was du sagen möchtest, für dich auf Deutsch übersetzen.“ Als ob ihm das, was ich gesagt habe, nicht gefiel, blieb er still und tat so, als hätte er nichts gehört. Als wir ein anderes Café betraten, wurde mir klar, dass er bereits vier seiner Wendungen benutzt hatte und nur noch das fünfte Wort fehlte. Ich war gespannt, wie und wo er dieses Wort Please zum Besten geben würde. Als wir im Café saßen, holte er sofort seinen Fotoapparat aus seiner Hosentasche heraus und sagte zu dem Kellner: „Please.“ Der Kellner fotografierte uns. Ich habe mich gefreut, dass sein englischer Wortschatz erschöpft war und er nun bereits alle fünf Redewendungen verwendet hatte.

So war es jedes Mal. Immer, wenn er zu mir kam, sollte ich mitgehen und so lange bleiben, bis er seinen englischen Wortschatz gebraucht hatte. Seit seiner Ankunft sind mittlerweile fünf Jahre vergangen und er kann noch immer nicht mehr als diese fünf Ausdrücke. Vor ein paar Tagen habe ich auf ihn am Hauptbahnhof gewartet. Wie immer wollte er seinen ganz eigenen englischen Wortschatz in meiner Anwesenheit benutzen. Doch bevor wir uns begrüßen konnten, hielt ihn die Polizei an und fragte ihn nach seinem Ausweis. Die Stadt, in der ich wohne, ist mehr als dreißig Kilometer von dem Ort entfernt, in dem sein Asylantenheim steht. Ohne Erlaubnis darf er diesen Ort nicht verlassen. Er erhielt eine Strafe und sollte sofort zurückfahren. Seine fünf englischen Worte konnten ihn leider nicht vor der Polizei retten. Mit lauter Stimme rief er nach mir: „Komm mein Freund, sag ihnen doch was. Sie sollen etwas verstehen. Diese deutschen Polizisten können gar kein Englisch.“ Ich lief schnell zu ihm und übersetzte für ihn.

Einerseits war ich traurig, dass der Sohn der Nachbarin meiner Tante so enttäuscht war und jedes Mal, wenn er mich besuchen wollte, ohne Erlaubnis heimlich wie ein Dieb kommen musste. Andererseits aber war ich auch froh, dass er mich nicht mehr mit seinen fünf englischen Phrasen nerven konnte.

Bei der 26. Lesung war Halim Youssef auf dem literarischen „Cronenberg“ zu Gast

Sa., 05. Mai 2018 um 17:00 Uhr

Die Geschichten erzählen von Vertreibung, Flucht und Angst; aber so humorig geschrieben, dass man trotz des ernsten Hintergrundes immer darüber lachen muss.

Revolutionen in einem winzigen Zimmer

Eine Kurzgeschichte von Halim Youssef

In meinem ersten Jahr als Student in Aleppo kannte ich nur die Freunde meines grossen Bruders, die dort schon seit langer Zeit studierten. Ich zog zu ihnen in ihre kleine Wohnung, in der wir zu viert wohnten. Ich bekam eine winzige Kammer, in der nur ein Bett stand. Aber ich hatte es dort sehr bequem, denn ich mußte nicht kochen, was ich ja auch nicht konnte. Dafür mußte ich für alle die Zeitungen und Zeitschriften besorgen.
Es störte mich aber, daß mich meine Mitbewohner immer als „den Kleinen“ ansahen. Sie hatten sogar Angst, daß ich in der großen Stadt verloren gehe: Ich kannte ja auch nur einen Weg, den Weg von zu Hause zur Universität.
Bei uns in der Wohnung wurde viel über Politik gesprochen. Eines Tages kam ein Mitbewohner zu mir:
„Ich möchte, daß du uns dein Zimmer überlässt.“
Ohne zu zögern, sagte ich zu, denn mir war sofort klar, worum es ging.
Ich erinnerte mich an die politischen Diskussionen, die sie mit meinem Bruder in Amude geführt hatten. Ich ging damals noch zur Schule und hörte von ihnen ständig ganz große Namen:
-Che Guevara, Scheich Seyit, Lenin, Barzani, Stalin und Lumumba.
Ich sagte mir immer:
„Mein Gott, wann bin ich endlich erwachsen, damit ich zur Universität gehen und dort mehr über diese Menschen erfahren kann.“
Ich brauchte sie wirklich nicht zu fragen, wozu sie meine Kammer haben wollten. Es reichte mir, zu hören, daß sie mein Zimmer fünf bis sechs Stunden brauchten.
Einmal verbrachte ich deswegen den ganzen Tag draußen auf der Straße. Ich weiß noch, wie ich mich verlaufen habe. Ich kam zu einem einsamen Ort ohne Leben, ohne Menschen und ohne Tiere. Dort waren nur Hochhäuser und Bäume und auf dem Boden lagen Blätter.
Ganz in Gedanken versunken lief ich glücklich durch die Stadt: Ich hatte den Genossen mit meinem Zimmer geholfen. Das gab mir das Gefühl, etwas für Kurdistan getan zu haben. Diese fünf bis sechs Stunden, in denen ich mein Zimmer nicht betreten durfte, erfüllten mich mit Zufriedenheit, denn ich hatte es ja wegen der Versammlung geräumt! Es gibt doch nichts Schöneres als das eigene Zimmer für die Heimat zur Verfügung zu stellen!
An diesem Abend fuhr ich mit dem Taxi nach Hause. Ich war schrecklich müde, und ich war mir auch ganz sicher, daß in meinem Zimmer heftig diskutiert wurde: Über verschiedene Meinungen, über die Partei und über Politik im allgemeinen. Sicher wurden auch wieder hundert von interessanten Namen erwähnt.
Zu Hause angekommen, war die Versammlung schon zu Ende. Aber als ich meine Bettdecke aufschlug, um mich hinzulegen, strömte mir ein göttlicher Duft entgegen. Ich verbrachte jene Nacht wie im Rausch. Ich weiß nicht mehr, wie ich geschlafen habe und welche Gedanken durch meinen Kopf spukten. Kam dieser berauschende Duft etwa vom Parteichef? Duften politische Versammlungen immer so gut oder war es nur diesmal so?
Von da an sollte ich jeden zweiten Tag mein Zimmer für ein paar Stunden räumen, und wegen der Wichtigkeit des Anliegens und – zugegeben – auch wegen des Duftes war ich sofort damit einverstanden.
Eines Tages kam ich etwas früher als sonst nach Hause. Ich hörte zunächst, wie jemand leise eine Tür öffnete. Dann vernahm ich ganz leise Schritte: Es war eine Frau! Jetzt verstand ich, was das für eine heftige und lange Versammlung gewesen sein musste. Jetzt wußte ich auch, woher die seltsamen Flecken auf meinem Bettlaken kamen. Von diesem Moment an war mein größter Wunsch, auch an solch einer Versammlung teilnehmen zu dürfen. Ich betete zu Gott: „Gott, zeig mir den Weg zu einer solchen Versammlung.“
Zehn Jahre später brachte mein Mitbewohner seinen kleinen Bruder zu uns in die Wohnung und sagte:
„Mein Bruder ist völlig naiv. Er ist ganz neu hier; Ihr müßt gut auf ihn aufpassen.“
Sicher hatte mein Bruder vor zehn Jahren zu seinen Mitbewohnern das Gleiche über mich gesagt.
Wir gaben dem Kleinen unsere Kammer und jeden zweiten Tag sagten wir ihm:
„Wir bitten dich, dein Zimmer zu räumen. Wir haben eine Versammlung….“

Lesung: Halim Youssef im Theater am Engelsgarten

Fr., 04.11.2016, 19:30 Uhr

 In einem „Syrischen Potpourri“ mit Christiane Gibiec, der Autor Halim Youssef liest aus seinen Werken:   

  • Kindermörder

Sarah war eine 32 jährige Mutter und saß in einem kleinen Ort zwischen Griechenland und der Türkei fest. Den Namen des Ortes kannte sie nicht. Was in den letzten zwei Tagen passiert war ließ ihr keine Ruhe mehr. Eine Sache beschäftigte sie besonders; es war der Mörder ihres Sohnes. Sarah wusste immer noch nicht wie alles passieren konnte. Ihre Erinnerung reichte nur bis zu einem bestimmten Punkt zurück, danach war alles schwarz, nichts, es gab keine Erinnerung. Sie konnte sich noch erinnern wie sie sich mit 15 Menschen in ein Boot quetschte, dass gerade Platz für fünf hatte. Es gab ihr Hoffnung, dass in dem Boot noch zwei weitere Mütter mit Kindern waren. Das nächste woran sie sich erinnern kann, ist wie die Menschen im Boo laut durcheinander geschrien haben. Sie konnte nur verstehen, dass irgendwas mit dem Boot nicht in Ordnung war. Zwischen den Schreien hörte sie heraus wie ein anderes Kind auf dem Boot geweint hat. Sie bekam Angst und umklammerte ihr Kind. Im Wirrwarr der Stimmen merkte sie wie das Boot anfing zu sinken.

Jemand schrie dann: Das Boot sinkt!

Ein anderer: Das Boot kippt um!

Das waren die letzten Worte die sie hörte bevor die Dunkelheit in ihren Erinnerungen einsetzte. Sie war durcheinander, Fragen schossen unkontrolliert durch ihren Kopf:

Warum bin ich am Leben? Wieso lebt mein Mann? Wie kann es sein, dass wir leben und unser liebes unschuldiges Kind von uns genommen wurde? Welche Mutter kann ihren schönen Sohn nicht festhalten? Was ist das Meer für ein Mörder, das es einen zwei jährigen Jungen an den Tod verkauft?

Sie kannte nicht eine einzige Antwort auf all diese Fragen. Sarah wusste nur, dass sie in einem Ort festsaß dessen Namen sie nicht kannte und dass der Mörder ihres Sohnes ihr friedlich ins Gesicht lachte.

Die Namen von Ländern die sie vorher noch nie gehört hatte und von denen sie sich niemals vorstellen könnte, dass sie dorthin reisen würde, prasselten plötzlich auf sie ein: Kroatien, Serbien, Ungarn, Österreich und zuletzt Deutschland. Sie musste an ihre Flucht aus einem Dorf in der Nähe von Aleppo nach Qamischli denken. Während der Flucht war der Himmel voll von Kriegsflugzeugen aus der ganzen Welt. Kriegsflugzeuge aus Amerika, Japan, Jordanien, Russland. In Sarahs Kopf befanden sich alle Länder im Dritten Weltkrieg. Alle Waffen aus allen Ländern wurden in diesem Krieg in ihrem Land getestet.

Sarah hatte damals die Hoffnung verloren, dass es unter den Menschen noch eine Gerechtigkeit geben könnte. Das was ihr blieb, war der Glaube an eine göttliche Gerechtigkeit.

Sie stellte sich dauernd eine Frage:  „Wenn morgen der Krieg vorbei wäre, vielleicht würden die, die den Krieg verursacht haben vor Gericht gestellt. Vielleicht würde man auch die Kriegsverbrecher vor Gericht stellen…aber wer würde den Mörder meines Kindes vor Gericht bringen?“

  • Wer ist der Flüchtling?

Der Flüchtling ist wie ein Vogel, der die Hälfte seines Lebens damit verbracht hat zu verhindern, dass sein Heimatland ein Käfig wird. Nachdem sein Land aber zum Käfig geworden war, war er schon geflohen.

Der Flüchtling ist der Vogel, der plötzlich merkt, dass auch seine neue Heimat ein Käfig ist; ein Käfig mit vier Gitterstäben. Der erste Stab ist die neue Sprache, der zweite, die Arbeit, der dritte Stab ist die Familie und der letzte Stab hindert ihn daran, einen blauen Himmel zu finden, um frei fliegen zu können.

Der Flüchtling ist der Vogel, der es schafft, alle paar Jahre einen von diesen Stäben einzureißen. Er ist derjenige, der voller Mut und Einsatz drei dieser Gitterstäbe entfernen kann. Und als er den vierten Stab einreißen kann, schaut er mit sehnsuchtsvollen Augen in den blauen freien Himmel, aber seine Flügel haben ihn im Stich gelassen.

Der Flüchtling versteht in diesem Augenblick, dass die Hälfte seines Lebens schon vorbei ist und er kein Vogel mehr sein kann.

Der Flüchtling war der Vogel, der einen Käfig gegen den anderen getauscht hat, immer darauf hoffend, dass er einmal frei unter dem blauen Himmel fliegen kann.

  • Stumm

Wenn die Steine der Straße nicht mit deinen Füßen reden. Wenn die Wände dir die Zunge rausstrecken. Wenn die Häuser ihre Läden vor Dir zugemacht haben. Und wenn Du kein Wort von den Menschen verstehst. Und wenn sie kein Wort von Dir verstehen. Wenn deine Augen nur den Nebel sehen. Wenn ein Draht deine Zunge zuschnürt. Wenn du das Gefühl hast, dass Ameisen über deinen Kopf laufen. Wenn du taub, stumm und blind bist und immer Tränen in den Augen hast.

Dann weißt du, dass du auf der Flucht bist

Die Literatur der Bergvölker- Kurden in vier Ländern – eine Kulturnation?

Herman Schulz mit Halim Youssef im Engelshaus-Wuppertal

Di., 04. Oktober 2016, 19:30 Uhr

  1. Sind die kurdischen Sprachen so verwandt, dass ihr euch untereinander verstehen könnt?

Die kurdische Sprache ist eine indoeuropäische Sprache und hat mehrere Dialekte. Es gibt zwei Hauptdialekte erstens:

Kurmandschi – wird in Syrien und Türkei, Teil von irakischem Kurdistan, sowie in Armenien und in einigen Gebieten im Iran gesprochen

 Kurmandschi wird mit Lateinischem Alphabet geschrieben (außer Iran)

 Zweitens: Sorani – Sorani wird in Iran und Teil von Irak gesprochen  und wird mit Aramäische oder dem arabischen  Alphabet geschrieben.

Die beiden Dialekte haben sich fast als selbständige Sprache entwickelt, weil Kurdistan als Kolonie zwischen Vier Staaten geteilt wurde. Die kurdische Sprache war unterdrückt und galt als verbotene Sprache. Und das gilt immer noch in Osttürkei, Deswegen gab es kaum Kommunikation zwischen den Kurden in diesen Vier Ländern, lange Zeit fand sie nicht statt.

Diese tragische Situation hat sich In den letzten Zeiten durch den positiven Einfluss der kurdischen Medien – Z.B Fernsehen und Internet – verbessert, die Kurden könnten mehr und besser einander verstehen.

2.) Die Religionen der Kurden: Islam, Alewiten, Christen? Sonstige?

Die Kurden sind durch Gewalt islamisiert worden. Die größte Gruppe sind Sunniten, Zweitgrößte Gruppe sind Alewiten. Die einzige Religion, die die kurdische Sprache verwendet also kurdisch- kurmandschi, ist bei den Gebeten und religiösen Ritualen ist „die Jesiden“. Außerdem gibt es unter den Kurden Christen und Juden. Aktuell leben sehr wenig Juden in Kurdistan, die meisten sind nach Israel oder USA ausgewandet, bzw. vertrieben worden.

3.) Kurden in vier Ländern. Wie geht die Kommunikation zwischen den Literaten?

Wegen der politischen Situation könnte die Kommunikation zwischen den Literaten in den vier Ländern kaum stattfinden. Die Intellektuelle Kurden haben im Exil mehrmals versucht, eine Kommunikation zu begründen, aber alle Versuche sind gescheitert.

In den letzten Fünf Jahren haben einige Verleger Romane von Sorani ins Kurmandschi und umgekehrt übersetzt und herausgegeben.

Z.B Endeshe- Verlag in Sulaymani (Kurdistan – Irak) und Avesta – Verlag in Türkei- Istanbul)

4.) Deine persönliche Geschichte als Autor in Syrien

Die kleine Stadt Amude, wo ich geboren und aufgewachsen bin, liegt am Grenzgebiet zwischen Syrien und Türkei. Meine Mutter kam von der syrischen Seite und mein Vater von der türkischen Seite.

Die Grenze war dicht mit Minen, Stacheldraht und Wachtürmen von türkischer Seite gesichert. Diese Situation war der Grund, dass ich als kleines Kind keine Antwort für meine großen Fragen finden könnte. Die Suche nach Antworten auf diese schwierigen Fragen, die mich lange beschäftigt haben, führten mich zur Literatur, da konnte ich einige Antworte finden.

Ich habe meine Werke in zwei Sprachen geschrieben, die amtliche arabische Sprache und die unterdrückte und verbotene Muttersprache – Kurdisch.

In der Zeit, als ich in Syrien lebte, habe ich vier Bücher in beiden Sprachen veröffentlicht. Jedes Buch hat seine eigene Geschichte.

Es gab Verbote von staatlicher Seite, dann war ein Problem die Grenzen zwischen Libanon, der Türkei und Syrien; arabisch geschriebene Bücher und kurdische wurden nicht akzeptiert.

5.) Wo erscheinen die Bücher der Autoren?

Kurdistan – Irak: ab 1991

Türkei – Istanbul – Diyarbakir: ab 1992

Exil – Schweden und Deutschland

6.) Gibt es heute einen grenzübergreifenden Vertrieb?

Nein

7.) Welche Rolle spielt die Literatur für die Identität als Kurde?

Wenn ich an den Begriff Identität denke, fällt mir sofort die Sprache ein.

Wie gesagt, die kurdische Sprache war verboten, deshalb hat die kurdische Bevölkerung kaum geschriebene Literatur gekannt. Eine große Rolle für die Entwicklung die Identität hat die orale oder mündliche Literatur gespielt, von Generation zu Generation weitergegeben wurde.

8.) Was sind die besonderen Kennzeichen der kurdischen Literatur?

Das wichtigste Kennzeichen der kurdischen Literatur ist die kurdische Sprache. Alles was nicht auf Kurdisch geschrieben ist, rechnen wir nicht zur kurdischen Literatur.

Außerdem, der Kurmandschi schreibende Schriftsteller, ist sicher der einzige Schriftsteller in den ganzen Welt, vielleicht, der Zuhause und heimlich seine Sprache lernt und Literatur in dieser verbotene Sprache schreibt.

Ich habe nie in meinem Leben einen kurdischen Lehrer gehabt und trotzdem konnte ich bis heute Vier Romane und Fünf Kurzgeschichten-Bände veröffentlichen.

Das betrifft nicht nur mich, sondern alle meine kurdisch –kurmandschi schreiben Schriftsteller-Kollegen.

Deutsch-syrische Lesung mit Hermann Schulz und Halim Youssef – im Missionshaus- Wuppertal

Deutsch-syrische Lesung mit Hermann Schulz und Helim Yusiv

zum Thema Flucht im Missionshaus- Wuppertal

Fluchtgeschichten im Barmer Missionshaus der VEM „Vereinte Evangelische Mission“

 (26.01.2016). Das Missionshaus in der Rudolfstraße wurde am gestrigen Montag zum Treffpunkt einer besonderen Veranstaltung: Im Rahmen der VEMKampagne „Zuflucht ist ein Menschenrecht“ kamen der bekannte Wuppertaler Schriftsteller Hermann Schulz und der syrisch-kurdische Autor Helim Yusiv zu einer gemeinsamen Lesung von Flucht-Geschichten in das interkulturelle VEMHaus. Helim Yusiv, 1967 im Norden Syriens geboren, ist studierter Jurist und wohnt seit dem Jahr 2000 in Deutschland. Als Verfasser von Kurzgeschichten und Romanen war Yusiv in Syrien bis zu seiner Flucht geheimdienstlichen Repressionen allein aufgrund der Tatsache ausgesetzt, dass er seine Texte in der verbotenen kurdischen Sprache publizierte. In Deutschland arbeitete der Schriftsteller lange Zeit als TV-Moderator kurdischer Literatursendungen. Seit einigen Jahren ist Helim Yusiv hauptsächlich als Integrations- und Sprachmittler tätig. Der in Ostafrika geborene Schriftsteller, vormalige Verlagsleiter und leidenschaftliche Erforscher fremder Kulturen Herrmann Schulz stellte außerdem die Initiative „Ich rede um mein Leben“ vor, die von ihm und den Wuppertaler Bühnen ins Leben gerufen wurde. Im Rahmen dieses Projekts werden gegenwärtig syrische Schriftsteller gebeten, ihre Fluchtgeschichten zu erzählen und dadurch erfahrbar zu machen. Ziel ist es dabei, die menschlichen Schicksale hinter den Flüchtlingsstatistiken sichtbar zu machen. Auf welche Weise die Fluchtgeschichten verarbeitet und veröffentlicht werden, steht noch nicht fest – angedacht ist ein Radiofeature oder Bühnenstück. Angesichts der jüngsten Vorkommnisse in der Silvesternacht appellierte Schulz an die Besucher, das große bürgerschaftliche Engagement in Deutschland wertzuschätzen, mit dem bereits viel erreicht wurde. Er wünschte sich ein Zusammenleben in Würde. Das Publikum wurde in die Veranstaltung mit einbezogen und dankte der Veranstalterin dafür, geflohene Menschen selbst zu Wort kommen zu lassen. Zudem wurde Yusiv gebeten, seine Texte auch in Deutschland bald zu publizieren. Begleitet wurde die Lesung von dem syrischen Musiker Firas Aldani, der Eigenkompositionen auf seiner arabischen Laute spielte. Die Veranstaltung endete mit einem Imbiss aus der arabischen Küche.

„Fluchtpunkt Frieden“: Künstler gegen den Krieg – TEXTE UND MUZIK ZUM ANTIKRIEGSTAG

WESTDETSCHE ZEITUNG

2. September 2020

TEXTE UND MUZIK ZUM ANTIKRIEGSTAG

„Fluchtpunkt Frieden“: Künstler gegen den Krieg

Veranstaltung der Armin T. Wegner-Gesellschaft erinnerte an den Überfall der deutschen Wehrmacht und damit den Beginn des Zweiten Weltkriegs.

Von Kristina Hinz

Helîm Yûsiv (Halim Youssef) aus Amude, Syrien, berichtete von seinem Zug des Lebens. „Ein Zug … und drei Länder“ ist seine Allegorie an die Nachwirkungen der Flucht – sie alle vereint eine herausfordernde Erfahrung.

„Abrüsten statt Aufrüsten! Waffenlieferungen stoppen! Krieg verhindern – Fluchtursachen vermindern“ – die Botschaft, die anlässlich des Antikriegstages am Dienstag vermittelt werden sollte, ist eindeutig. „Fluchtpunkt Frieden“ hieß die Veranstaltung der Armin T. Wegner-Gesellschaft, bei der am 1. September Wuppertaler Musiker und Schriftsteller an den Überfall der deutschen Wehrmacht und damit den Beginn des Zweiten Weltkriegs erinnern. 75 Jahre liegt der Krieg zurück, der Millionen Menschen das Leben kostete. Etwas, das es nicht zu wiederholen gilt.

Das Aufrüsten geht dennoch weiter – und das trotz gesundheitspolitischer Herausforderung durch das Coronavirus. Trotz der weiterhin bestehenden Anforderungen des Klimaschutzes, trotz Flüchtlingsthematik. Mit „etwa 45,2 Milliarden Euro“ beziffert das Bundesministerium der Verteidigung auf seiner Homepage den diesjährigen Verteidigungshaushalt. Ein Umstand, auf den die Redner, Oberbürgermeister Andreas Mucke und Guido Grüning, Vorsitzender des DGB Wuppertal, aufmerksam machten. Im Export deutscher Waffen in Kriegsgebiete sieht Mucke die Fluchtursachen. „Wir führen keinen Krieg in Europa, wir exportieren ihn“, gab Grüning zu bedenken. „Von deutschem Boden aus muss Frieden ausgehen“, legte der Oberbürgermeister nahe. Den Zusammenhalt und das Zusammenleben, dessen Basis die Kommunen bilden, betonte er.

Info

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Die Veranstaltung mit Beteiligung des Oberbürgermeisters Andreas Mucke und des DGB-Vorsitzenden wurde in diesem Jahr von der Armin T. Wegner Gesellschaft veranstaltet. Das künstlerische Programm wurde gemeinsam mit dem Verband der Schriftstellerinnen und Schriftsteller gestaltet.

Respekt und Solidarität – diese Werte waren in den literarischen und musikalischen Beiträgen des Abends fest verankert. Mit starker Stimme von Ulrich Klan, Vorsitzender der Armin T. Wegner-Gesellschaft, und klangvoller Untermalung mit Robert Dißelmeyer am Klavier, Jörg Dausend am Schlagzeug und Lukan Lehmann am Bass wurden die politischen Statements für den Frieden unterstrichen. So wurde „Le Deserteur“ von Boris Vian in deutscher Sprache gesungen: Es ging um das Verweigern des Schießbefehls. „Desertieren ist eine Form, um den Krieg zu behindern“, machte Klan deutlich und nahm Bezug zu Vorgehensweisen im Nahen Osten – der Zwangsrekrutierung von Minderjährigen.

Beiträge mit persönlichen Eindrücken

„Frieden bekommen wir nicht, indem wir mit Steinen schmeißen“, hob er einen gewaltlosen Umgang hervor. John Lennons „Imagine“, seine Vision einer friedlichen Gesellschaft, und Bob Dylans Protestlyrik gegen den Aufbau von Atomwaffen mit Nachrichtung von Ulrich Klan waren wohlgewählte Musikstücke der Veranstaltung, dessen Auftakt ein arabisches Trauerlied machte.

Die schriftstellerischen Beiträge gaben persönliche Einblicke wieder. Denn alle Autoren stammen aus Kriegsgebieten. Alaa Al Rashi wurde in Syriens Hauptstadt Damaskus geboren, sein Essay über die Situation der Kurden in Damaskus hat seine Tochter Sham Al Rashi vorgelesen. Safeta Obhođaš las aus ihrem Buch „Legenden und Staub“ und gab so einen Einblick in ihre Fluchterfahrung. Sie stammt gebürtig aus Pale und wuchs in Bosnien und Herzegowina auf.

 Helîm Yûsiv aus Amude, Syrien, berichtete von seinem Zug des Lebens. „Ein Zug … und drei Länder“ ist seine Allegorie an die Nachwirkungen der Flucht – sie alle vereint eine herausfordernde Erfahrung.

Christiane Gibiec vom Schriftstellerverband und Ulrich Klan war es wichtig, Betroffenen eine Stimme zu geben.