Die Literatur der Bergvölker- Kurden in vier Ländern – eine Kulturnation?
Herman Schulz mit Halim Youssef im Engelshaus-Wuppertal
Di., 04. Oktober 2016, 19:30 Uhr
- Sind die kurdischen Sprachen so verwandt, dass ihr euch untereinander verstehen könnt?
Die kurdische Sprache ist eine indoeuropäische Sprache und hat mehrere Dialekte. Es gibt zwei Hauptdialekte erstens:
Kurmandschi – wird in Syrien und Türkei, Teil von irakischem Kurdistan, sowie in Armenien und in einigen Gebieten im Iran gesprochen
Kurmandschi wird mit Lateinischem Alphabet geschrieben (außer Iran)
Zweitens: Sorani – Sorani wird in Iran und Teil von Irak gesprochen und wird mit Aramäische oder dem arabischen Alphabet geschrieben.
Die beiden Dialekte haben sich fast als selbständige Sprache entwickelt, weil Kurdistan als Kolonie zwischen Vier Staaten geteilt wurde. Die kurdische Sprache war unterdrückt und galt als verbotene Sprache. Und das gilt immer noch in Osttürkei, Deswegen gab es kaum Kommunikation zwischen den Kurden in diesen Vier Ländern, lange Zeit fand sie nicht statt.
Diese tragische Situation hat sich In den letzten Zeiten durch den positiven Einfluss der kurdischen Medien – Z.B Fernsehen und Internet – verbessert, die Kurden könnten mehr und besser einander verstehen.
2.) Die Religionen der Kurden: Islam, Alewiten, Christen? Sonstige?
Die Kurden sind durch Gewalt islamisiert worden. Die größte Gruppe sind Sunniten, Zweitgrößte Gruppe sind Alewiten. Die einzige Religion, die die kurdische Sprache verwendet also kurdisch- kurmandschi, ist bei den Gebeten und religiösen Ritualen ist „die Jesiden“. Außerdem gibt es unter den Kurden Christen und Juden. Aktuell leben sehr wenig Juden in Kurdistan, die meisten sind nach Israel oder USA ausgewandet, bzw. vertrieben worden.
3.) Kurden in vier Ländern. Wie geht die Kommunikation zwischen den Literaten?
Wegen der politischen Situation könnte die Kommunikation zwischen den Literaten in den vier Ländern kaum stattfinden. Die Intellektuelle Kurden haben im Exil mehrmals versucht, eine Kommunikation zu begründen, aber alle Versuche sind gescheitert.
In den letzten Fünf Jahren haben einige Verleger Romane von Sorani ins Kurmandschi und umgekehrt übersetzt und herausgegeben.
Z.B Endeshe- Verlag in Sulaymani (Kurdistan – Irak) und Avesta – Verlag in Türkei- Istanbul)
4.) Deine persönliche Geschichte als Autor in Syrien
Die kleine Stadt Amude, wo ich geboren und aufgewachsen bin, liegt am Grenzgebiet zwischen Syrien und Türkei. Meine Mutter kam von der syrischen Seite und mein Vater von der türkischen Seite.
Die Grenze war dicht mit Minen, Stacheldraht und Wachtürmen von türkischer Seite gesichert. Diese Situation war der Grund, dass ich als kleines Kind keine Antwort für meine großen Fragen finden könnte. Die Suche nach Antworten auf diese schwierigen Fragen, die mich lange beschäftigt haben, führten mich zur Literatur, da konnte ich einige Antworte finden.
Ich habe meine Werke in zwei Sprachen geschrieben, die amtliche arabische Sprache und die unterdrückte und verbotene Muttersprache – Kurdisch.
In der Zeit, als ich in Syrien lebte, habe ich vier Bücher in beiden Sprachen veröffentlicht. Jedes Buch hat seine eigene Geschichte.
Es gab Verbote von staatlicher Seite, dann war ein Problem die Grenzen zwischen Libanon, der Türkei und Syrien; arabisch geschriebene Bücher und kurdische wurden nicht akzeptiert.
5.) Wo erscheinen die Bücher der Autoren?
Kurdistan – Irak: ab 1991
Türkei – Istanbul – Diyarbakir: ab 1992
Exil – Schweden und Deutschland
6.) Gibt es heute einen grenzübergreifenden Vertrieb?
Nein
7.) Welche Rolle spielt die Literatur für die Identität als Kurde?
Wenn ich an den Begriff Identität denke, fällt mir sofort die Sprache ein.
Wie gesagt, die kurdische Sprache war verboten, deshalb hat die kurdische Bevölkerung kaum geschriebene Literatur gekannt. Eine große Rolle für die Entwicklung die Identität hat die orale oder mündliche Literatur gespielt, von Generation zu Generation weitergegeben wurde.
8.) Was sind die besonderen Kennzeichen der kurdischen Literatur?
Das wichtigste Kennzeichen der kurdischen Literatur ist die kurdische Sprache. Alles was nicht auf Kurdisch geschrieben ist, rechnen wir nicht zur kurdischen Literatur.
Außerdem, der Kurmandschi schreibende Schriftsteller, ist sicher der einzige Schriftsteller in den ganzen Welt, vielleicht, der Zuhause und heimlich seine Sprache lernt und Literatur in dieser verbotene Sprache schreibt.
Ich habe nie in meinem Leben einen kurdischen Lehrer gehabt und trotzdem konnte ich bis heute Vier Romane und Fünf Kurzgeschichten-Bände veröffentlichen.
Das betrifft nicht nur mich, sondern alle meine kurdisch –kurmandschi schreiben Schriftsteller-Kollegen.